Geschichte des Waidhofner Bürgerkorps

Eine Körperschaft zur Pflege des Schießwesens und der Stadtverteidigung wird in Waidhofen an der Thaya erstmals in den Stadtprotokollen von 1596 erwähnt. Die Bildung des Schützenvereins reicht jedenfalls bis in das 13. oder 14. Jahrhundert zurück. Damals schlossen sich die wehrfähigen Bürger in den Städten zu sogenannten Schützengilden zusammen. Ihre Aufgabe war die Stadtverteidigung.

Schon in den Bauernkriegen zeigten die Waidhofner "Bürger-Schützen" ihre Entschlossenheit zur Verteidigung mit der Waffe. Sie waren bereit, alle Angriffe auf die Stadt abzuwehren.

Dreißigjähriger Krieg

Ihr Höchstes leistete die Schützenvereinigung im Dreißigjährigen Krieg. Vor allem ihr war es zu danken, dass Waidhofen nicht erobert werden konnte. Als Graf Holach im Oktober 1619 mit 12.000 Mann zu Pferd und zu Fuß von Böhmen her vor Waidhofen kam und die Stadt zur Übergabe gegen freien Abzug der Besatzung aufforderte, wurde dies abgelehnt. Die Bürgerschaft und an die 100 Musketiere, die zur Verstärkung hier lagen, erklärten einstimmig: "Wir werden die landesfürstliche Stadt bis auf den letzten Mann und äußersten Blutstropfen verteidigen!" Darauf wurde die Stadt während der Nacht beschossen, und die Besatzung erwiderte kräftig das Feuer. Am nächsten Tag ließ der Graf neuerlich durch einen Trompeter zur Übergabe auffordern. Wieder wurde das Ansinnen verweigert. Darauf blieb die Armee noch einige Stunden auf den Feldern bei Stoisen (heutige Stoißmühle erinnert an eine abgekommene Ortschaft in dieser Gegend, die Felder tragen heute noch den Namen Stoisen) , bezog darauf, als schlechtes Wetter eintrat, Quartiere in den Dörfern und marschierte schließlich am dritten Tag nach Znaim ab. Ähnlich erging es den Schweden gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1645. Trotz heftiger Beschießung durch die Truppen Torstensens wehrten Bürger und Soldaten alle Angriffe solange ab, bis endlich nach sieben Tagen kaiserliche Truppen Hilfe brachten.

Privilegiertes, uniformiertes Bürgerkorps

In dieser schweren Zeit vollzog sich auch die Umwandlung des Schützenvereines zu einem Bürgerkorps, das wahrscheinlich in der Form des Schützenvereines bis 1798 weiterbestand. In diesem Jahr wurde nämlich der Schützenverein ein "privilegiertes, uniformiertes Bürgerkorps". Eine neuerliche Bestätigung der Satzungen bzw. der Privilegien durch die kaiserliche Hofkanzlei erfolgte 1846. Im Revolutionsjahr 1848 wurden in Niederösterreich zahlreiche Bürgerwehren aufgelöst. Die Waidhofner Bürger verhielten sich aber so "löblich", dass sie ihr Bürgerkorps weiterführen durften. Das kaiserliche Reorganisationspatent von 1851 berechtigte alle jene Bürgerkorps zur Führung des Titels "k. k. privilegiert", die eine Bestätigung von Seiten des Landesfürsten nachweisen konnten, ohne Rücksicht darauf, ob sie sich desselben schon früher bedienten oder nicht.

Leider ging die kaiserliche Bestätigungsurkunde des Waidhofner Bürgerkorps während der Franzosenzeit im Jahr 1809 verloren. Dadurch erlosch auch der Anspruch auf Führung des Titels "k. k.". Der Umstand, dass das Bürgerkorps nicht mehr unter der Bezeichnung "kaiserlich königliches privilegiertes uniformiertes Bürgerkorps" auftreten konnte, führte zu einer Krise, die aber überwunden wurde.

Schießstätte

Eine Schießstatt wird im Jahr 1631 erstmals erwähnt. Sie bestand damals im Stadtgraben zwischen Böhmtor und Schultor, also im Bereich der heutigen Schadekgasse. Pfarrer Hellnegger erbaute 1643 eine Schießhütte und Schießmauer vor der Stadt. Auch Maurermeister Mathias Fölser erbaute im Auftrag der Stadt im Jahr 1694 eine Schießstatt. 1799 wird sie im Garten des aufgelassenen Kapuzinerklosters, im Bereich der heutigen Gymnasiumstraße, neu angelegt.

Am 6. August 1911 schließlich wird die neue Schießstätte an der Thaya mit einem Verbandsschießen des niederösterreichischen Bürger- und Schützenkorps eröffnet.

Audienz beim Kaiser

Einen großen Tag erlebte das Bürgerkorps bei den großen Kaisermanövern, die 1891 im Gebiet zwischen Horn und Gmünd abgehalten wurden. Kaiser Franz Josef wohnte damals im Schloß Schwarzenau. Bei seiner Ankunft am prächtig geschmückten Bahnhof nahm auch das Waidhofner Bürgerkorps mit seiner Musikkapelle Aufstellung. Bürgermeister Hamernik und der Hauptmann des Bürgerkorps, Johann Hoffinger, wurden vom Kaiser huldvoll in Audienz empfangen.

Bürgerkorps 1932

Während des Ersten Weltkrieges besorgte das Bürgerkorps Wachdienste im Kriegsgefangenenlager Drosendorf. Zu Beginn des Krieges wurde die Waidhofner Wasserleitung bewacht, da das Gerücht verstreut worden war, der Feind wolle die Bevölkerung vergiften. Nach dem Krieg rückte das Bürgerkorps zum ersten Mal 1920 aus und nahm damit seine alte Tätigkeit wieder auf. Um die Wiedererrichtung erwarben sich damals Leutnant Johann Zotter und die Feldwebel Johann Gaukel und Franz Krisch große Verdienste. Herr Kühtreiber, vor dem Krieg schon Hauptmann, wurde auch jetzt wieder als Hauptmann bestätigt. 1933 machten sich starke politische Gegensätze bemerkbar, und als ein Großteil der Bürgerkorpsmitglieder anlässlich einer Kundgebung, an der die Deutschmeisterkapelle teilnahm, nicht ausrücken wollte und auch nicht ausrückte, wurde durch eine Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft die Entwaffnung des Bürgerkorps verfügt.

Auflösung 1933

Einen Monat später wurde die Auflösung durch das Sicherheitsministerium angeordnet. Spätere Bemühungen Bürgermeister Johann Haberls um die Zurücknahme der Verfügung hatten keinen Erfolg. Vor der Auflösung im Jahr 1933 betrug der Stand an ausrückenden Mitgliedern 64 Mann.

Das neue Bürgerkorps

Am 14. September 1980, nach 47 Jahren also, feierte das Bürgerkorps Waidhofen seine Wiedergeburt.

Auszug aus: Festschrift "100 Jahre Fahne" 1888 – 1988
Dir. Eduard Führer, † 04.03.2000